資料707 ヴァイツゼッカ―大統領の演説「荒れ野の40年」(原文・ドイツ語)第3節まで
B U N D E S P R
Ä S I D I A L A M T
Bundespräsident Richard von
Weizsäcker
bei der Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des
Deutschen
Bundestages zum 40, Jahrestag des Endes des Zwelten
Weltkrieges in Europa
am 8. Mai 1985
in Bonn
I.
Viele Völker gedenken heute des
Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem
Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei
seine eigenen Gefühle. Sieg oder
Niederlage,
Befreiung von Unrecht
und Fremdherrschaft oder Übergang zu neuer Abhängigkeit, Teilung,
neue Bündnisse, gewaltige Machtverschiebungen
-
der 8. Mai 1945 ist
ein Datum von entscheidender historischer Bedeutung in Europa.
Wir Deutsche begehen den Tag unter uns, und das
ist notwendig. Wir müssen die Maßstäbe allein finden. Schonung
unserer Gefühle durch uns selbst oder durch andere hilft nicht
weiter. Wir brauchen und wir haben die Kraft, der Wahrheit so gut
wir es können ins Auge zu sehen, ohne Beschönigung und ohne
Einseitigkeit.
Der 8. Mai ist für uns vor
allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mußten.
Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer
Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen,
desto freier sind wir, uns
seinen Folgen verantwortlich zu stellen.
Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen,
die ihn bewußt erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit
ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der
eine kehrte heim, der
andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann
die Gefangenschaft. Viele waren einfach nur dafür dankbar, daß
Bombennächte und Angst vorüber und sie mit dem Leben davongekommen
waren. Andere empfanden Schmerz über die vollständige Niederlage des
eigenen Vaterlandes. Verbittert standen Deutsche vor zerrissenen
Illusionen, dankbar andere Deutsche vor dem geschenkten neuen
Anfang.
Es war schwer, sich alsbald klar zu orientieren.
Ungewißheit erfüllte das Land. Die militärische Kapitulation war
bedingungslos. Unser Schicksal lag in der Hand der Feinde. Die
Vergangenheit war furchtbar gewesen, zumal auch für viele dieser
Feinde. Würden sie uns nun nicht vielfach entgelten lassen, was wir
ihnen angetan hatten?
Die meisten Deutschen hatten geglaubt, für die
gute Sache des eigenen Landes zu Kämpfen und zu leiden. Und nun
sollte sich herausstellen: Das alles war nicht nur vergeblich und
sinnlos, sondern es hatte den unmenschlichen Zielen einer
verbrecherischen Führung gedient. Erschöpfung, Ratlosigkeit und neue
Sorgen kennzeichneten die Gefühle der meisten. Würde man noch eigene
Angehörige finden? Hatte ein Neuaufbau in diesen Ruinen
überhaupt Sinn?
Der blick ging zurück in einen dunlen Abgrund
der Vergangenheit und nach vorn in eine ungewisse dunkle Zukunft.
Und dennoch wurde von Tag zu Tag klarer, was es
heute für uns alle gemeinsam zu sagen gilt: Der 8. Mai war ein Tag
der Befreiung. Er
hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden
System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schweren
Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach
folgten. Aber wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für
Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen.
Sie liegt vielmehr in
seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg
führte.
Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht
vom 30. Januar 1933
trennen.
Wir
haben wahrlich keinen Grund,
uns am heutigen Tag an
Siegesfesten zu
beteiligen. Aber wir
heben allen Grund, den 8. Mai
1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen,
das den
Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.
Ⅱ.
Der 8. Mai ist ein Tag der
Erinnerung. Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu
gedenken, daß es zu einem Teil des eigenen Innern wird. Das stellt
große Anforderungen an unsere Wahrhaftigkeit.
Wir gedenken heute in Trauer
aller Toten des
Krieges und der Gewaltherrschaft.
Wir gedenken insbesondere der sechs Millionen
Juden, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden.
Wir gedenken aller Völker, die im Krieg gelitten
haben, vor allem der unsäglich vielen Bürger der Sowjetunion und der
Polen, die ihr Leben verloren haben.
Als Deutsche gedenken wir in Trauer
der eigenen Landsleute, die als Soldaten, bei den Fliegerangriffen
in der Heimat, in Gefangenschaft und bei der Vertreibung ums Leben
gekommen sind.
Wir gedenken der ermordeten Sinti und Roma, der
getöteten Homosexuellen, der umgebrachten Geisteskranken, der
Menschen, die um ihrer religiösen oder politischen Überzeugung
willen sterben mußten.
Wir gedenken der erschossenen Geiseln.
Wir denken an die Opfer des Widerstandes in allen
von uns besetzten Staaten.
Als Deutsche ehren wir das Andenken der
Opfer des deutschen Widerstandes, des bürgerlichen, des
militärischen und glaubensbegründeten, des Widerstandes
in der Arbeiterschaft und bei Gewerkschaften,
des Widerstandes der Kommunisten.
Wir gedenken derer, die nicht aktiv Widerstand
leisteten, aber eher den Tod hinnshmen, als ihr Gewissen zu beugen.
Neben dem unübersehbar großen Heer der Toten erhebt
sich ein Gebirge menschlichen Leids,
Leid um die Toten,
Leid durch Verwundung und Verkrüppelung,
Leid durch unmenschliche Zwangssterilisierung,
Leid in Bombennächten,
Leid durch Flucht und
Vertreibung, durch Vergewaltigung und Plünderung, durch
Zwangsarbeit, durch Unrecht und Folter, durch Hunger und Not,
Leid durch Angst vor Verhaftung und Tod,
Leid durch Verlust all dessen, woran man irrend geglaubt und wofür
man gearbeitet hatte.
Heute erinnern wir uns dieses menschlichen Leids
und gedenken seiner in Trauer.
Den vielleicht größten Teil dessen, was den
Menschen aufgeladen war, haben die Frauen der Völker getragen.
Ihr Leiden, ihre Entsagung und ihre stille
Kraft vergißt die Weltgeschichte nur allzu leicht. Sie haben gebangt
und gearbeitet, menschliches Leben getragen und beschützt. Sie haben
getrauert um gefallene Väter und Söhne, Männer, Brüder und freunde.
Sie haben in den dunkelsten
Jahren das Licht der Humanität vor dem Erlöschen bewahrt.
Am Ende des Krieges haben sie als erste und ohne
Aussicht auf eine gesicherte Zukunft Hand angelegt, um wieder einen
Stein auf den anderen zu setzen, die Trümmerfrauen in
Berlin und
überall.
Als die überlebenden Männer heimkehrten,
mußten Frauen oft wieder zurückstehen. Viele Frauen blieben aufgrund
des krieges allein und verbrachten ihr Leben in Einsamkeit.
Wenn aber die Völker an den Zerstörungen,
den Verwüstungen, den Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten innerlich
nicht zerbrachen, wenn sie nach dem krieg langsam wieder zu sich
selbst kamen, dann verdanken wir es zuerst unseren Frauen.
Ⅲ.
Am Anfang der Gewaltherrschaft hatte der
abgrundtiefe Haß Hitlers gegen unsere jüdischen Mitmenschen
gestanden. Hitler hatte ihn nie vor der Öffentlichkeit verschwiegen,
sondern das ganze Volk zum Werkzeug dieses Hasses gemacht. Noch am
Tag vor seinem Ende am 30. April 1945 hatte er sein sogenanntes
Testament mit den Worten abgeschlossen: "Vor allem verpflichte ich
die Führung der Nation und die Gefolgschaft zur peinlichen
Einhaltung der Rassegesetze und zum unbarmherzigen Widerstand gegen
den Weltvergifter aller Völker, das internationale Judentum."
Gewiß, es gibt kaum einen Staat, der in
seiner Geschichchte immer frei blieb von schuldhafter Verstrickung
in Krieg und Gewalt. Der Völkermord an den Juden jedoch ist
beispiellos in der Geschichte.
Die Ausführung des Verbrechens lag in der
Hand weniger. Vor den Augen der Öffentlichkeit wurde es abgeschirmt.
Aber jeder Deutsche konnte miterleben, was jüdische Mitbürger
erleiden mußten, von kalter Gleichgültigkeit über versteckte
Intoleranz bis zu offenem Haß.
Wer konnte arglos bleiben nach den Bränden
der Synagogen, den Plünderungen, der Stigmatisierung mit dem
Judenstern, dem Rechtsentzug, der unaufhörlichen Schändung der
menschlichen Würde?
Wer seine ohren und Augen aufmachte, wer
sich informieren wollte, dem konnte nicht entgehen, daß
Deportationszüge rollten. Die Phantasie der Menschen mochte für Art
und Ausmaß der Vernichtung nicht ausreichen. Aber in Wirklichkeit
trat zu den Vernichtung nicht ausreichen. Aber in Wirklichkeit trat
zu den Verbrechen selbst der Versuch allzu vieler, auch in meiner
Generation, die wir jung und an der Planung und Ausführung der
Ereignisse unbeteiligt waren, nicht zur kenntnis zu nehmen, was
geschah.
Es gab viele Formen, das Gewissen ablenken
zu lassen, njcht zuständig zu sein, wegzuschauen, zu schweigen. Als
dann am Ende des krieges die ganze unsagbare Wahrheit des Holocaust
herauskam, beriefen sich allzu viele von uns darauf, nichts gewußt
oder auch nur geahnt zu haben.
Schuld oder Unschuld eines ganzen Volkes
gibt es nicht. Schuld ist, wie Unschuld, nicht kollektiv, sondern
persönlich.
Es gibt entdeckte und verborgen gebliebene
Schuld von Menschen. Es gibt Schuld, die sich Menschen
eingestanden oder abgeleugnet haben. Jeder, der die Zeit mit vollem
Bewußtsein erlebt hat, frage sich heute im Stillen selbst nach
seiner Verstrickung.
Der ganz
uberwiegende Teil unserer heutigen Bevölkerung war zur damaligen
Zeit entweder im Kindesalter oder noch gar nicht geboren. Sie können
nicht eine eigene Schuld bekennen für Taten, die sie gar nicht
begangen haben.
Kein fühlender Mensch erwartet von ihnen,
ein Büßerhemd zu tragen, nur weil sie Deutsche sind. Aber
die
Vorfahren haben ihnen eine schwere Erbschaft hinterlassen.
Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt
oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen. Wir alle sind von
ihren Folgen betroffen und für sie in Haftung genommen.
Jüngere und
Ältere müssen und können sich
gegenseitig helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die
Erinnerung wachzuhalten.
Es geht nicht darum, Vergangenheit zu
bewältigen. Das kann man gar nicht. Sie läßt sich ja nicht
nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der
Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.
Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder
anfällig für neue Ansteckungsgefahren.
Das jüdische Volk erinnert sich und wird
sich immer erinnern. Wir suchen als Menschen Versöhnung.
Gerade deshalb müssen wir verstehen, daß es
Versöhnung ohne Erinnerung gar nicht geben kann. Die Erfahrung
millionenfachen Todes ist ein Teil des Innern jedes Juden in der
Welt, nicht nur deshalb, weil Menschen ein solches Grauen nicht
vergessen können. Sondern die Erinnerung gehört zum jüdischen
Glauben.
"Das Vergessenwollen verlängert das Exil,
und das Geheimnis der Erlösung heißt
Erinnerung."
Diese oft zitierte
jüdische
Weisheit will wohl besagen, daß der Glaube an Gott ein
Glaube an sein Wirken in der Geschichte ist.
Die Erinnerung ist die Erfahrung vom
Wirken Gottes in der Geschichte. Sie ist die Quelle des Glaubens an
die Erlösung. Diese Erfahrung schafft Hoffnung, sie schafft Glauben
an Erlösung, an Wiedervereinigung des Getrennten, an Versöhnung. Wer
sie vergißt, verliert den Glauben.
Würden wir unsererseits vergessen
wollen, was geschehen ist, anstatt uns zu erinnern, dann wäre dies
nicht nur unmenschlich. Sondern wir würden damit dem Glauben der
überlebenden Juden zu nahe treten, und wir würden den Ansatz zur
Versöhnung zerstören.
Für uns kommt es auf ein Mahnmal des
Denkens und Fühlens in unserem eigenen Inneren an.
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(注) |
1. |
上記の「ヴァイツゼッカ―大統領の演説「荒れ野の40年」(原文、ドイツ語)第3節まで」の本文は、ドイツ連邦大統領報道情報局のサイトによって記述しました。写し間違いがあるかもしれませんので、その点ご注意ください。
取り敢えず第3節までを入力しましたが、第4節から第9節(最終節)までの本文は、追って入力するつもりです。
お気づきの点をお知らせくだされば幸いです。 |
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2. |
この演説の日本語訳は、ネット上に多く出ていると思いますので、そちらを参照してください。 |
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